Die Wortschätze im Austausch über:
Bewusste Sprache
05.07.2023 | von Stefanie Vey
Wow, das war mal ein Deep Dive gestern Abend mit meinen beiden Wortschätze-Kolleginnen Christine und Petra. Ein ganz besonders intensiver Fachaustausch, der immer noch nachwirkt. Das Thema: „Bewusste Sprache“. Und das hatte es in sich. Von Framing über Political Correctness bis hin zur heilenden Wirkung von Sprache – wir haben viel gelernt und reflektiert, diskutiert und argumentiert. Und kamen am Ende alle zum gleichen Schluss: Das war sicher nicht der letzte Deep Dive zu dieser Thematik.
Als Texterinnen beschäftigen wir uns (fast) täglich mit dem Thema Sprache. Das bringt unser Beruf logischerweise mit sich. So haben wir alle ein gutes Sprachgefühl und achten auf unsere Wortwahl – im beruflichen wie auch im privaten Kontext. Doch das Thema „Bewusste Sprache“ geht so viel tiefer und ist so facettenreich, dass wir unseren gemeinsamen Deep Dive wohl bis in die Nacht hinein hätten fortführen können.
Die Macht der Sprache. Oder: Wie Sprache manipuliert.
Zum Einstieg ins Thema haben wir uns ein wenig mit den Grundlagen beschäftigt: Unsere Sprache ermöglicht es uns, Gedanken, Gefühle und Ideen miteinander zu teilen. Sie prägt unsere Kommunikation und beeinflusst unsere Beziehungen und Interaktionen. Denn: Worte sind immer mit Assoziationen und Gefühlen verknüpft. Sie transportieren also nicht nur Informationen, sondern auch Emotionen.
Genau das machen sich Menschen immer wieder zu Nutze: Mit bewusst ausgewählten Begriffen lenken sie die Wahrnehmung der anderen in eine bestimmte Richtung. Gerade in der Politik und in den Medien wird diese Wirkung genutzt, um die Ansichten und Handlungen anderer zu manipulieren. Oft ist uns dies gar nicht bewusst. Schließlich sind nur etwa zwei Prozent des Denkens bewusste Vorgänge. Etwa 98 Prozent unseres Denkens unterliegen unbewussten Prozessen. Das zeigt, wie mächtig Worte sein können und wie leicht wir manipulierbar sind.
Ein paar Beispiele:
- “Erderwärmung”: Der Begriff „warm“ erzeugt eher positive Assoziationen.
- „Klimawandel“: Der Begriff „Wandel“ wiederum suggeriert etwas Natürliches.
- „Klimakrise“ oder „drohende Klimakatastrophe“ verdeutlicht dagegen eher die Tragweite der Problematik.
- „Flüchtlingswelle”: Der Begriff „Welle“ klingt angsteinflößend. Im Zusammenhang mit dem Wort “Flüchtling” entsteht nun möglicherweise das Gefühl einer Bedrohung – ähnlich einer Naturkatastrophe. Die individuellen Geschichten der Menschen dahinter verschwinden.
Sprache kann also sowohl verharmlosen als auch Ängste schüren. Achte doch selbst einmal darauf, wenn du das nächste Mal Nachrichten schaust.
In diesem Zusammenhang ist uns auch der Begriff Framing (von englisch „einbetten“) begegnet. Das bedeutet: Sprache verpackt Botschaften in bewusster Weise, um damit bestimmte Bilder zu assoziieren, die entweder positiv oder negativ klingen. Jedes Wort beeinflusst unsere Sicht auf die Wirklichkeit – es entstehen Bilder im Kopf, die unsere Wirklichkeit formen.
Sprechen wir eigentlich politisch korrekt?
So kamen wir zum nächsten, ebenso wichtigen Thema: Political Correctness. Für uns eine Selbstverständlichkeit, dass wir diskriminierende Sprache vermeiden – egal ob es um Geschlechtsidentität, Rasse, Religion oder andere Merkmale von Menschen geht. Gleichzeitig haben wir genau hingeschaut: Welche Begriffe, die früher gebräuchlich waren, sollten wir heute nicht mehr verwenden? Welche respektvollen Ausdrücke gibt es dafür? Dürfen wir von „behinderten Menschen“ sprechen? Oder heißt es Menschen „mit Behinderung“? Und was ist hier der Unterschied? Oder wie spreche ich politisch korrekt über das Thema Hautfarbe? Nicht zuletzt ging es in unserem Gespräch auch wieder um das Thema Gendern, das wir bereits in einer unserer letzten Deep Dive-Sessions behandelt hatten.
Unsere Diskussion war spannend – und gleichzeitig herausfordernd (zumindest für mich persönlich). Denn sicher sind einige Formulierungen in meinen täglichen Sprachgebrauch nicht ganz politisch korrekt – wenn auch ohne böse Absicht, sondern durch Unwissenheit oder Unachtsamkeit. So ertappe ich mich häufig noch mit dem Begriff “Mohrenkopfbrötchen”, da ich ihn seit Kindheitstagen so verinnerlicht habe, dass ich ihn teilweise immer noch ganz unbewusst verwende.
Bewusst sprechen – leichter gesagt als getan.
Das war unsere nächste Erkenntnis: Bewusste Sprache ist gar nicht so einfach umzusetzen. Denn wir alle haben unsere gewohnten Sprachmuster, die wir uns über Jahre und Jahrzehnte hinweg angewöhnt haben. Diese einfach zu streichen beziehungsweise zu ändern, das braucht Zeit. Doch wir sind uns einig, dass wir genau das wollen: Eine bewusste Sprache nutzen, weil wir dadurch dazu beitragen können, Diskriminierung und Vorurteile zu reduzieren und eine inklusivere Gesellschaft zu fördern. Und zwar indem wir respektvolle Ausdrücke wählen und auf stereotype Formulierungen verzichten.
Dazu dürfen wir uns zunächst einmal unserer Sprache bewusstwerden. Es erfordert, dass wir uns selbst immer wieder reflektieren, Gewohnheiten hinterfragen und möglicherweise ablegen. Neues ausprobieren und üben, üben, üben.
Dabei werden wir möglicherweise auch anecken. Denn während wir versuchen, unsere Sprache bewusster zu wählen, gibt es wie überall Menschen, die dem ablehnend gegenüberstehen. Menschen, die das Gendern für überflüssig und störend halten oder die auch in Zukunft ihr Zigeunerschnitzel bestellen werden. Ich selbst darf noch viel lernen, was eine bewusste Wortwahl betrifft, bin mir aber der Verantwortung bewusst, die wir mit unserer Sprache übernehmen.
Doch wie gehe ich damit um, wenn daraus Diskussionen entstehen? Darf ich es mir herausnehmen, andere auf in meinen Augen diskriminierende Begriffe anzusprechen? Es ist noch ein langer Weg, auf den ich mich schon jetzt freue. Denn bewusstes Sprechen erweitert den Horizont, gibt uns neue Impulse und für uns Wortschätze ist es eine wunderbare Möglichkeit, uns stetig weiterzuentwickeln.
Meine persönliche Sprachliste
Bei den Vorbereitungen für unseren Deep Dive ist uns ein toller Tipp begegnet: Die Zukunftsexpertin und Kulturreformerin Eva Zweidorf empfiehlt, eine persönliche Sprachliste zu erstellen – mit wohlwollenden, neugierigen und wertschätzenden Wörtern. So können wir unseren persönlichen Wortschatz mit einem bewussteren Blickwinkel neu entdecken und ihn um neue positive Wortmöglichkeiten erweitern. Eine geniale Idee. Und das fällt mir zum Einstieg auch relativ leicht, da ich mich schon seit längerem mit der Wirkung von positiver Sprache beschäftige. Schließlich beeinflusst unsere Sprache, wie wir denken und fühlen. Also im besten Falle: positiv. Und das wirkt sich auch auf unser Miteinander aus. Je positiver wir uns ausdrücken, je respektvoller und empathischer wir uns zeigen, umso angenehmer und wertschätzender ist die Interaktion mit anderen Menschen.
Und das ist es doch, was wir wollen – mehr Miteinander. Auf Augenhöhe. Mit Respekt.
Es braucht sicher etwas Übung. Ich bin mir ganz sicher: Es lohnt sich!
Unsere Buchempfehlungen zum Thema “Bewusste Sprache”:
- Ulrich Grober: Die Sprache der Zuversicht – Inspirationen und Impulse für eine bessere Welt
- Anatol Stefanowitsch: Eine Frage der Moral – Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen
- Anselm Grün: Achtsam sprechen – kraftvoll schweigen
- Jacques Martel: Die Kraft der Worte – Wie die richtige Wortwahl uns befreit, stärkt und heilt
Bildnachweis: Kerstin Heim; Canva
herzenztexte – Freie Texterin. Autorin. Redakteurin. Bloggerin.
Stefanie Vey
Mit meinen Herzenstexten möchte ich Menschen berühren und verzaubern, bewegen und begeistern. Bei welchem Herzensprojekt darf ich für Dich kreativ werden und mit der Kraft der Worte spielen?