Herr-lich! Oder däm-lich?
Im Genderfieber
21.03.2023 | von Stefanie Vey
Irgendwie hatte ich es schon geahnt – ich würde auf Dauer nicht drumherum kommen um das Thema Gendern. Gerade als Texterin, die sich tagtäglich mit Sprache beschäftigt. Doch das Schöne ist: In unserem Texterinnen-Netzwerk bin ich damit nicht alleine und gemeinsam geht vieles einfach leichter. Auch beim Thema Gendern. Doch mal ganz von vorne …
Keinen Bock aufs Gendern
Ich gebe zu: Lange Zeit hat mich das Gender-Thema extrem genervt. Still und leise habe ich mich davor weggeduckt oder es gekonnt ignoriert, soweit das in meiner Tätigkeit als Texterin überhaupt möglich ist. Als ich dann vor einiger Zeit in den Nachrichten den Glotisschlag hörte (diese klitzekleine Sprechpause, quasi das gesprochene Gendersternchen), rebellierte es regelrecht in mir. Gleichzeitig merkte ich schon, dass wohl jetzt der Zeitpunkt gekommen war, um mich doch einmal näher mit dem Thema zu befassen. Vielleicht würde ich mich ja langsam daran gewöhnen.
Doch ganz spannend
Da kam unser Netzwerk-Austausch zum Thema Gendern genau richtig. Für diesen Deep Dive hatten wir uns im Vorfeld unabhängig voneinander intensiv mit der Thematik beschäftigt, hatten recherchiert, Podcasts gelauscht, Bücher gelesen, um dann gemeinsam darüber zu diskutieren. Schon während meiner Vorbereitungen stellte ich fest, wie sich meine Einstellung gegenüber dem Gendern langsam veränderte. Je mehr ich über die Hintergründe, die aktuellen Regeln und Handhabungen las, umso spannender fand ich das Thema. Vermutlich brauchte es einfach mal eine intensive Beschäftigung mit der Thematik, ein paar grundlegende Fakten – und schon sah die Welt anders aus. Unser konstruktiver Austausch im Wortschätze-Netzwerk war dann perfekt geeignet, um die Dinge zu vertiefen, Meinungen zu diskutieren und Fragen zu klären. Seitdem bin ich im Genderfieber. Das heißt nicht, dass ich nun wild mit Gendersternchen und Binnen-I´s um mich werfe. Im Gegenteil.
Sprache bewusst einsetzen
Ich beschäftige mich seitdem noch bewusster mit der Wirkung von Sprache und den handwerklichen Möglichkeiten, die uns dafür zur Verfügung stehen. Denn Sprache hat immer einen Effekt, eine Wirkung, die sie erzielt bzw. erzielen soll. Somit sind wir aufgefordert, sie bewusst einzusetzen. Hinzu kommt: So wie sich unsere Gesellschaft verändert, sich entwickelt und öffnet, so verändert sich eben auch unsere Sprache. Sprache ist lebendig und wandelbar, sie entwickelt sich weiter. Und das ist gut so. Denn so können wir starre Sprachmuster aufbrechen und mit einer bewussteren Sprache dafür sorgen, dass sich alle Menschen respektvoll angesprochen fühlen, dass niemand durch Sprache ausgegrenzt wird. Und genau das ist ja das Ziel der gendergerechten Sprache.
Mit viel Übung und Feingespür
Das bedeutet nicht, dass wir nun in geschriebenen Texten nur noch Sternchen oder Striche sehen oder gesprochene Texte nur noch schwer verstehen können. Es geht sicher auch anders. Zum Glück, denn auch ich bin immer noch kein Fan von Gendersternchen. Ich bevorzuge es beispielsweise, neutrale Begriffe zu finden (Teilnehmende statt Teilnehmer*innen; alle statt jede*r) – also Formulierungen, bei denen man das Genderthema gar nicht wahrnimmt. Das allerdings erfordert viel Übung und ein gewisses Feingefühl. Doch ich finde, es lohnt sich! Als Texterinnen, die wir uns täglich mit Sprache beschäftigen, sehe ich es als unsere Aufgabe, hier mitzuwirken und die Entwicklung der Sprache im Positiven mitzugestalten. Es ist ein natürlicher Prozess, den wir bestenfalls in unserem Sinne mitbestimmen können. Herrlich! (Oder sollte ich jetzt sagen dämlich?) .
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Das Wichtigste auf einen Blick | Unsere Key Learnings
Für eine Sprache, die alle Menschen mit einbezieht, reicht die männliche Personenform (das sogenannte generische Maskulinum) nicht aus. Studien zeigen, dass Frauen und genderqueere Menschen sich dadurch “nicht einfach mitgemeint” fühlen. Im Gegenteil: Das grammatische Geschlecht festigt Stereotypen und hat sehr wohl einen Einfluss darauf, welche Bilder und Vorstellungen erzeugt werden. Gendern steht also auch für die Sichtbarkeit von Frauen und den Respekt für die Vielfalt der Menschen.
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Welche Regeln gibt es überhaupt?
Der deutsche Rat für Rechtschreibung gibt vor, was in der deutschen Schriftsprache richtig ist. Zum Gendern gibt er tatsächlich nur Empfehlungen, spricht sich hier aber gegen Genderstern, Doppelpunkt usw. aus. Er (der deutsche Rat) empfiehlt:
- allen Menschen mit gendergerechter Sprache begegnen und sie sensibel ansprechen
- wichtig ist, dass Texte sachlich korrekt, rechtssicher sowie lesbar und vorlesbar sind – Lesende sollen sich auf Kerninformation konzentrieren können
- staatliche Einrichtungen wie Behörden, Schulen usw. sollen diese Vorgaben verbindlich ansehen
Und welche Gender-Zeichen?
- Gender Gap (Lücke oder mit Unterstrich) _
- Stern *
- Doppelpunkt :
- Punkt .
- Binnen-I
- Schrägstrich /
Tipps fürs elegante Gendern
- Formuliere möglichst präzise und schreibe, welche Personen handeln. Sind Frauen beteiligt? Dann benenne sie.
- Umschreibe Wörter oder finde Synonyme. “Guten Tag” statt “Sehr geehrte Damen und Herren”
- Wandle Adjektive in substantivierte Partizipien um: “die Beteiligten” statt “die beteiligten Kolleginnen”
- Verwende Verben als Nomen: “Das muss beim Lesen verständlich sein.” statt “Das muss für Leser verständlich sein.”
- Pronomen wie jede, jeder lassen sich oft durch das Zauberwort “alle” ersetzen.
- Eine nicht gegenderte Aussage (Zitat) wird nicht gegendert.
- Nur Menschen werden gegendert, keine Dinge: Kanzleramt bleibt Kanzleramt, Dinosaurierinnen gibt es nicht.
- Das Gendersternchen besitzt derzeit die meiste “Strahlkraft”, es steht für die Vielfalt der Geschlechter. Benutze es dennoch sparsam (maximal ein Sternchen pro Absatz).
- Bei Berufsbezeichnungen ist im Sinne der Gleichstellung eine gendergerechte Sprache besonders wichtig.
- Vermeide Silbentrennung bei Wörtern mit Gender-Zeichen.
Falls das Gendern auch bei Dir im Unternehmen gerade ein Thema ist und Du mit dem Umgang noch unsicher bist, schreib uns gerne eine Mail. Wir stehen mit Rat und Tat zur Seite. Womöglich schwappt das Genderfieber auch zu Euch über – natürlich nur im positiven Sinne!
herzenztexte – Freie Texterin. Autorin. Redakteurin. Bloggerin.
Stefanie Vey
Mit meinen Herzenstexten möchte ich Menschen berühren und verzaubern, bewegen und begeistern. Bei welchem Herzensprojekt darf ich für Dich kreativ werden und mit der Kraft der Worte spielen?